Prassen, um nichts zu verpassen
Ganz überraschend kommt das ja nicht: Wie die SZ am 25. Oktober berichtete, hat BMW die Äcker neben dem Unterschleißheimer Campus für Autonomes Fahren als potenziellen weiteren Standort ins Auge gefasst.
Überraschend sind freilich die Dimensionen: Das gemeindeübergreifende Gewerbegebiet hätte 38 Hektar. Das entspricht dem Doppelten von Business-Campus und Koryfeum zusammen – oder einem Viertel (!) der gesamten bisherigen Unterschleißheimer Gewerbefläche.
Überraschend ist auch, wie bereitwillig Unterschleißheim dafür die Prämissen seines neuen, vom Stadtrat gebilligten Flächennutzungsplans über Bord wirft. Darin heißt es: „Die Stadt Unterschleißheim strebt eine ausgewogene Mischung von Wohnen und Arbeiten an. (…) Eine zusätzliche Ausweisung von Gewerbegebieten ist aufgrund ausreichender Flächenreserven nicht erforderlich.“ Statt also dankend abzulehnen rollt die Stadtverwaltung den roten Teppich, sprich: die grüne Wiese aus. Man ist bereit, in einem Siedlungsraum, der ohnehin am Anschlag operiert, die Wachstumsspirale zusätzlich anzukurbeln.
Dass damit kein Stau vermieden, keine Wohnungsnot gelindert und kein S-Bahntakt dichter wird, sondern Stress und Umweltbelastungen auch in Oberschleißheim immer weiter zunehmen – das alles scheint der reichsten Kommune des Landkreises egal zu sein, sofern ein anklopfender Investor nur potent genug ist. Landschaft verprassen, um nichts zu verpassen.
Fix ist noch nichts, bekannt nur wenig. Nach den von der SZ veröffentlichten Hektar-Angaben und Beschreibungen kommen für die BMW-Ansiedlung aber eigentlich nur die Flächen direkt neben Business-Campus und Koryfeum in Frage.
Bis zu zehn weitere Kommunen konkurrieren um den Zuschlag. Ober- und Unterschleißheim seien nicht einmal erste Wahl. Genaueres erfährt man aber nicht – was angesichts der ständigen Transparenzversprechen an die Hintertür-Planungen der Ära Zeitler erinnert. Dessen megalomane Hochhausplanungen wurden auch erst im letzten Moment bekannt – und per Bürgerentscheid gestoppt.
Die Menschen im Münchner Norden haben davon genug. Angesichts der massiven ungelösten Verkehrsprobleme, des überlasteten Nahverkehrs, der mehr als ausgelasteten Infrastruktur, der angespannten Wohnungslage und der schwindenden Erholungsmöglichkeiten in naher Natur ist die politische Bereitschaft für weitere Gewerbeansiedlung vollkommen unverständlich. Was fehlt, sind allenfalls Wohnungen, und mit jedem weiteren Zuzug: Erholungsraum.
Darum wäre es ein Schildbürgerstreich, ausgerechnet die landschaftlich und ökologisch interessantesten Areale zwischen Ober- und Unterschleißheim zu opfern, die mit ihrem Niedermoor-Charakter und dem ehemaligen Riedweiher eine Schlüsselfunktion für die Naherholung haben könnten.
Zwei Jahre nach Vorstellung der ersten Ideen für einen Moos-Haide-Park sollten Ober- und Unterschleißheim nun ihre bisherigen Überlegungen dazu öffentlich machen und darlegen, was die nächsten Schritte sind.