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Bauen bis zum Anschlag?

Vom Kuhdorf zur Stadt

Dank der energischen Wirtschafts- und Siedlungspolitik seit den 70er-Jahren hat sich Unterschleißheim vom „Kuhdorf“ zum attraktiven Wirtschaftsstandort mit hervorragenden Lebensbedingungen für rund 27000 Einwohnern entwickelt. Doch jede Entwicklung stößt irgendwann auf natürliche Grenzen. In Unterschleißheim ist das der Mangel an weiteren potenziellen Baugebieten. Schon heute hat die Stadt mit fast 1800 Menschen pro Quadratkilometer die weitaus höchste Bevölkerungsdichte aller Kommunen der Nordallianz. Was fehlt sind wohnungsnahe Freiflächen und Grün: Die meisten Bürger müssen kilometerweit fahren, um freie Landschaft zu erleben. Trotzdem soll die Stadt nach dem erklärten Willen von Verwaltung, Planern und Politikern, die im so genannten Steuerkreis zusammenarbeiten „moderat“ weiter wachsen. Konkret: um jährlich 0,5 Prozent bzw. 3000 Neubürger im Planungszeitraum.

Wachsen weil's alle tun?

Motiv und Maßstab dafür liefert allein das Durchschnittswachstum im übrigen Landkreis, wo viele Gemeinden durchaus Nachholbedarf haben. Der aber besteht in Unterschleißheim definitiv nicht. Die 0,5-Prozent-Vorlage für die Planer sieht deshalb deutlich nach Gewohnheitsrecht aus: Eine Kommune muss eben wachsen - auch wenn dafür die letzten freien Landschaftsräume geopfert werden müssen. Zu Bauland umgewidmet würde beispielsweise ein Großteil der Felder zwischen Siedlungsrand und Berglwald. Dabei haben die Flächen nicht nur höchsten Wert für die Naherholung. Im Regionalplan München sind sie als Teil eines großräumigen Grünzugs und Frischluftkorridors festgesetzt. Der bisherige Flächennutzungsplan hielt sich an diese Vorgabe. Hier zu bauen, widerspräche jeder ökologisch nachhaltigen Stadtentwicklungsplanung nach dem Motto „kompakt, urban, grün“.

Störfaktor Ökologie 

Skeptisch stimmen auch die Erfahrungen mit dem bisherigen Flächennutzungsplan, der seit 1993 gilt und teilweise ambitionierte ökologische Vorgaben macht. Mit bislang dreißig Änderungen haben Politik und Verwaltung immer wieder auch die selbst verordneten  Umweltvorgaben konterkariert. Ziel war immer wieder, für den jeweiligen Bebauungsplan das Maximum an Baurecht herauszuholen. Aktuelles Beispiel ist das Danfoss-Werksgelände am alten Bahnhof, direkt hinter dem Jugendzentrum Gleis I.

Der bisherige Flächennutzungsplan weist an den Grundstücksrändern schützenswerte Lohwaldreste aus, die sich über viele Jahrzehnte entwickeln konnten. Im konkreten Bebauungsplan ist von dem Grün nichts übrig:  Dutzende, bis zu einem Meter dicke Bäume sollen fallen, damit neben der durchaus sinnvollen Fachoberschule auch noch ein Hotel Platz findet.

Für den Bund Naturschutz ist der Fall typisch:

Innenentwicklung und Nachverdichtung – im Kampf gegen Flächenfraß unverzichtbar – werden zum Alibi für einen Schildbürgerstreich: Statt den Lohwaldrest mit all seinen positiven Umweltwirkungen als Gratis-Stadtgrün, Trittsteinbiotop und ökologische Bausubstanz in die Pläne zu übernehmen, betrachten ihn unsere Politiker und Stadtplaner offenbar vor allem als lästiges Grünzeug. Planungsrechtlich ist das Vorgehen nicht zu beanstanden, lässt aber eine fragwürdige Tendenz erkennen. Zu befürchten ist, dass die Stadt bei der Novelle des Flächennutzungsplans ökologische Vorgaben von vornherein ausdünnt, um spätere Scherereien in Grenzen zu halten.

Wir finden: Prinzipielle Wachstumsvorgaben auf Kosten von Freiräumen und Landwirtschaft sind angesichts der Flächenknappheit und der demographischen Entwicklung fehl am Platz. Irgendwann in 20 oder 50 Jahren wird es in unserer Stadt definitiv kein neues Bauland mehr geben. Die Grenze lässt sich gewiss immer wieder ein wenig hinausschieben. Sicher ist aber: Wenn wir mit dem Stopp zu lange warten, ist es irgendwann zu spät für Korrekturen - und die Landschaft zerstört.

Der neue Flächennutzungsplan sollte sich vor allem zum Ziel setzen, das bestehende Nutzungsgefüge des Stadtgebiets behutsam auszutarieren - nach der Formel:

Mehr Lebensqualität bei gleicher Bausubstanz